HISTORISCHE INFORMATIONEN ZUR TAPETENFABRIK

Auf dieser Seite erhalten Sie weiterführende Informationen zur Tapetenfabrik vom Denkmal- und Geschichtsverein Bonn-Rechtsrheinisch e.V.

Die Tapetenfabrik

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte der Durchbruch für Bonn als Gewerbestadt, vor allem für das rechtsrheinische Gebiet, wo sich auch der Standort der 1893 zur Zeit der Hochindustrialisierung gegründeten „Rheinischen Tapetenfabrik“ in Beuel befindet.

Bonn Beuel als Industriestandort und die Geschichte der Tapete
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte der Durchbruch für Bonn als Gewerbestadt, vor allem für das rechtsrheinische Gebiet, wo sich auch der Standort der 1893 zur Zeit der Hochindustrialisierung gegründeten Rheinischen Tapetenfabrik in Beuel befindet. Beuel gehörte in dieser Zeit zu einer der bedeutendsten Industriestandorte im gesamten Rheinland. Damit veränderte sich auch die Beschäftigungsstruktur in den vorherrschenden Gewerben, weg vom traditionellen Handwerk und hin zur Fabrikarbeit. Die Fabrikarbeiterquote lag in Beuel deutlich höher als im restlichen Gebiet Bonns. Dies wird mit der Geschichte der Taptenfabrikation deutlich, welche dank des Kurfürsten Clemens August zu einem der wichtigsten Gewerbezweige in Bonn wurde.

Clemens August ließ 1746 die erste Tapetenfabrik in Bonn errichten. Seither entwickelte sich eine handwerkliche Tradition, die in Zeiten der Industrialisierung eine neue Blüte erlangen sollte. Mit dem technologischen Wandel auf Basis einiger Erfindungen wie dem Endlospapier, dem Holzdruck und Anilinfarben, entwickelte sich die Tapetenherstellung vom arbeits- und zeitintensiven Handwerk hin zum dampfmaschinenbetriebenen Maschinendruck. Die Produktionszahlen stiegen enorm an und die Tapete wurde zu einem erschwinglichen Produkt für alle Bevölkerungsgruppen.

Firmengeschichte 1893-1980
Der Gründer der Tapetenfabrik in der Auguststraße war August Schleu im Jahr 1893. Zuvor besaß er ein Tapetengeschäft in der Innenstadt, am Münsterplatz, wo er zu unverhältnismäßig niedrigen Preisen Tapeten verkaufte. Aufgrund seiner Preispolitik wurde er nicht mehr von den Tapetenherstellern beliefert, da diese die Mitbewerber schützen wollten. Durch die positive gesamtwirtschaftliche Situation des Deutschen Reiches und der steigenden Nachfrage entschloss sich Schleu, selbst Tapeten zu produzieren. Er entschied sich für den Standort Beuel, der ihm aufgrund seiner vorhandenen Infrastruktur mit Bahnanschluss und des großen noch ausbaufähigen Fabrikgeländes geeignet erschien. Es handelte sich um das ehemalige Gebäude der „Stereos-Teppichfabrik R. Bovermann“. Nach zwei Jahren erhielt sie den Namen „Rheinische Tapetenfabrik Tilger & Co.“, da Emil Tilger zum Teilhaber wurde.

Bedingt durch die gute Auftragslage in den Folgejahren konnte das Unternehmen expandieren. Es entstanden neue Gebäude für Dampfkesselanlagen, Dampfmaschinen und die Stromversorgung. Weiterhin entstanden neue Leimdrucksäle für die großen Druckmaschinen, Rollsäle in denen die Tapeten konfektioniert wurden, Lagerhallen und eine Schlosserei. Auch die Verwaltung zog 1901 in ein größeres Gebäude um.

1904 wurde eine Papierfabrik erworben. Zwei Jahre später kam es dann zur Fusion mit der „Mannheimer Tapetenfabrik Engelhard“. Seither wurde unter dem Namen „Rheinische Tapeten- und Papierfabriken Engelhard & Schleu KG“ geworben. In dieser Zeit war die Firma die größte dieser Branche in ganz Deutschland. Damals produzierten 350 Arbeiter und Angestellte durchschnittlich 120.000 Tapetenrollen am Tag. Es wurde umfangreich exportiert, weshalb zusätzliche Warenlager in Berlin und Paris gegründet wurden.

Doch die einst zu den traditionsreichsten Beueler Betrieben gehörende Rheinische Tapetenfabrik erlebte auch Krisenzeiten . So entstanden mit wachsender Größe der Firma Probleme, wie Überproduktion und sinkende Rentabilität. Während der Krise von 1906-1911 fand 1908 eine Übernahme der Fabrik in die „Tapeten-Industrie-Aktiengesellschaft“ (TIAG) statt. Weiterhin wurde ein Teil der Produktionsräume verpachtet. Durch diese Maßnahmen konnten die bestehenden Absatzprobleme jedoch nicht gelöst werden. Schließlich löste sich 1910 die TIAG auf und 1911 wurde die „Rheinische Tapetenfabrik“ wieder selbständig. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte die Firma mit Erfolg weiter geführt werden.

Die nachfolgenden 1930er Jahre standen unter keinem guten Stern. Aufgrund der nationalsozialistischen Gesetzgebung wurde aus der Firma eine offene Handelsgesellschaft unter der Leitung von Johannes Schleu und Erich Hoffmann. Im zweiten Weltkrieg musste das Unternehmen die Arbeit einstellen. Zwei Söhne Johannes Schleus fielen im Krieg und circa 40 Prozent der Gebäude der „Rheinischen Tapetenfabrik“ wurden durch Luftangriffe zerstört. Gegen Ende des Krieges kehrten einige wenige Mitarbeiter heim. Allerdings konnte die dampfmaschinengetriebene Produktion durch den Mangel an Kohle nicht aufgenommen werden. Zudem blieb die Produktionserlaubnis der Briten aus. Der traditionelle Handdruck wurde wieder aktiviert und wertvolle Handdrucktapeten konnten gegen Kartoffeln eingetauscht werden, um die Ernährung der Mitarbeiter zu sichern.

Von 1949/50 bis Ende der 1950er Jahre, in den Jahren des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders, stieg die Nachfrage wieder rasant an. Somit hatte die Firma 1959 insgesamt 205 Mitarbeiter zu verzeichnen. Als allerdings gegen Ende 1973 der Wohnungsbau erheblich nachließ und neue Substitutionsartikel, wie Raufaser, Paneelen und Kacheln die Tapete verdrängten, war das Schicksal der Tapetenfabrik besiegelt. 1979 musste die Firma ein Vergleichsverfahren anmelden. Nachdem der Konkurs zunächst von der Geschäftsleitung abgestritten wurde, folgte schließlich die Beantragung von Mitarbeiter-Entlassungen beim Arbeitsamt und im Dezember 1980 letztendlich die Anmeldung des Konkurses.

Nutzung nach 1984
Im Jahre 1984 ersteigerte der Beueler Bauunternehmer Werner Quadt die Tapetenfabrik. Er entschied sich für den Kauf, da er eine Schwächung des Beueler Gewerbes und einen Käufer, der nicht aus Beuel stammt, verhindern wollte. Er hatte viel vor mit dem gründerzeitlichen Gebäude: „Ich will wieder Leben in die Hallen bringen“, äußerte er sich seinerzeit gegenüber dem General-Anzeiger. Zu seinen Ideen zählten unter anderem ein Teil der Gebäude an Jungunternehmer zu vermieten oder zu verkaufen und ein weiteres Areal als großes Parkdeck zu nutzen. Auch die Tapetenfabrikation sollte in einem geringen Umfang fortgeführt werden. Für das Dachgeschoss wurden Studentenwohnungen in Erwägung gezogen.

Diese Pläne konkretisierten sich in den darauffolgenden Jahren. Die gründerzeitliche Fassade wurde neu gestrichen und die zahlreichen Hallen und Räume der stillgelegten Fabrik wurden zu einem Gewerbezentrum umgebaut, dem „Q-Center“. Insgesamt waren 1988 bereits 90 Prozent der 16.000 Quadratmeter Nutzfläche vermietet, obwohl die Fertigstellung erst im darauf folgenden Jahr erfolgte. Dazu zählten ein Antik-Großmarkt, Künstlerateliers und eine Familienbildungsstätte, die in verschieden Räumlichkeiten ihre Kurse anbot. 1989 zog der größte Mieter, die Sportfabrik, auf 2700 Quadratmetern in den ältesten Teil der Tapetenfabrik ein, welche unter Leitung des Volleyball- Nationalspielers Dieter Markus stand.

Eine alte Halle musste abgerissen werden, um genügend Raum für Parkplätze im Hinterhof zu schaffen. Die Fassade in diesem Bereich wurde renoviert und dem gründerzeitlichen Stil der Vorderseite der Fabrik angepasst. Der Besitzer der Tapetenfabrik stellt einen Raum, der für Veranstaltungen, Auktionen oder Ausstellungen gemietet werden kann, zur Verfügung. Die Bonner Oper hatte 1992 in der Tapetenfabrik eine neue Spielstätte gesehen.

Heutige Nutzung
Heute findet man in der Tapetenfabrik zahlreiche Kursangebote, Gewerbebetriebe und Angebote aus dem Bereich der Kultur. Dabei reichen die vielfältigen Wahlmöglichkeiten von Fotografie, Yoga, Geigenbau, Restauration, Kampfsport über Grafik und Design bis hin zur Ballettschule. Darüber hinaus finden jährlich Fotoausstellungen oder Ausstellungen von Künstlerinitiativen statt. An den „Fabriktagen“, den Tagen der offenen Tür – hat jeder die Möglichkeit, hinter die Kulissen des alten Industriedenkmals der Tapetenfabrik zu schauen.

In dem privaten Tapetenmuseum, welches sich im ehemaligen Walzenkeller der Fabrik befindet, kann man heute noch die Schätze der vergangenen Jahrzehnte bewundern. Das Herzstück ist eine „16 Farben-Leimdruckmaschine“ des letzen Jahrhunderts. Den in der Tapetenfabrik angesiedelten Künstlern werden die Materialien aus den alten Beständen der Tapetenherstellung für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt.

Raumwirkung
Trotz der Nähe zur Königswinterer Straße (L 193) und der guten Anbindung an das Verkehrsnetz, kann man die Fabrik nicht auf den ersten Blick erkennen. Sie liegt etwas versteckt, was sich mit ihrer erhöhten und zurückversetzten Lage erklären lässt. Das gesamte Gelände der Tapetenfabrik und deren Umgebung wirken, trotz des Vorhandenseins einiger Wohnhäuser, ruhig und eher abgeschieden. Dies lässt sich zum einen mit dem Standort des weitläufigen Geländes und mit der mehrheitlich gewerblich genutzten Fläche begründen. Dieser Eindruck wird verstärkt durch die dominierende Atmosphäre der alten Industriearchitektur, welche hauptsächlich durch die denkmalgeschützten Fassaden der Gebäude zum Ausdruck kommt. Dies bezieht sich vor allem auf die Fabrikationsgebäude, die im typischen Gründerzeit-Stil, unter der Verwendung von Ziegeln, erbaut wurden.

Es lassen sich noch zwei weitere Architekturstile erkennen: Das nachträglich angefügte Pförtnerhaus, mit seinen Stuckverzierungen, vertritt eher den malerischen Stil, eine Art, die eher bei Landhäusern und Villen der damaligen Zeit Verbreitung fand. Das Verwaltungsgebäude, welches in den 1950er Jahren erbaut wurde, ist im Bauhaus-Stil gehalten. Das Areal mit seinem Hinterhof muss man erst erkunden, es lässt sich nicht direkt mit einen Blick erfassen.

Baudenkmal
Das Objekt „Ehemalige Rheinische Tapetenfabrik“ in der Auguststraße ist ein eingetragenes Baudenkmal (Denkmalliste Bonn, Stand 01. August 2006, Nr. A 3717).

(Caroline Alt, Geographisches Institut der Universität Bonn, 2013)

Quelle: Kuladig