Aufsatz von Carl J. Bachem anlässlich des Tages des offenen Denkmals

Das bundesweite Motto des diesjährigen Tages des Offenen Denkmals  lautet “Talent Monument”. Unter diesem Leitgedanken hat auch unser Verein den Besuchern sein Vilicher Denkmal  präsentiert, und Carl J. Bachem hat einen entsprechenden Aufsatz dazu geschrieben: “Was macht das Bürgermeister-Stroof-Haus zu einem Denkmal?” Hier der Text:

“>Talent Monument < Was macht das Bürgermeister-Stroof-Haus zu einem Denkmal?
Denkmäler sind Zeugen eines zumeist langen Lebens. Sie speichern Wissen, das uns Menschen von heute neugierig macht. Konkret geben sie Aufschluss über das, was frühere Generationen geschaffen haben – an Einmaligkeit oder auch nur an Alltäglichkeit. Sie lassen uns Einblick nehmen in Umstände, die wir heute kaum noch oder nur schwer nachvollziehen können. Sie waren Teil des Lebens unserer Vorfahren – und lassen uns heute nachempfinden, wie die Menschen jener Zeiten gelebt haben. Nicht jedes historische Bauwerk ist ein Denkmal. Ganz wesentlich ist seine gewisse Besonderheit, oft genug sogar seine Einzigartigkeit. Wichtig ist sein Muster für eine typische Erscheinungsweise, sein charakteristischer Auftritt. Wichtig ist seine ganz eigene Lebensgeschichte, seine spezifische, vielleicht herausragende Funktion. Wichtig sind seine charakterisierenden Merkmale, vor allem seine Architektur: die Art und die Qualität, die es unter handwerklichen, technischen und auch unter künstlerischen Aspekten vermittelt. Was macht bei alledem seine Individualität aus, was seine Authentizität? Worin besteht „das gewisse Etwas“ eines Bauwerks, womit es uns Menschen von heute anspricht? Was sind seine spezifischen Merkmale, die es für uns wertvoll machen? Was sind die Merkmale, womit es uns davon überzeugt, es für die Zukunft sichern zu sollen?Das Denkmal als Identitätsanker in Zeiten zunehmender Cancel Culture!  –  Es sind seine überzeugenden Eigenschaften, gewissermaßen seine „Talente“, die für uns ein Bauwerk zu einem „Denkmal“ machen!Kurzer Abriss der GeschichteDas Bürgermeister-Stroof-Haus ist rund 300 Jahre alt. Es steht auf Ruinengemäuer eines Vorgängerbaus, das in Resten im Keller (Treppenblock) sowie im quasi historischen Anbau (Bergisches Zimmer / Brunnenkammer), wohl auch in der Feuerwand der Steinküche, bis heute erhalten ist. Hier, am Ortseingang, könnte im frühen Mittelalter bereits ein befestigter Wohnturm gestanden haben. Einiges spricht dafür, dass hier am Hang später die benachbarte Niederungsburg ihr (hochwassergeschütztes) Brunnenhaus betrieben hat – bis zu den Zerstörungen Vilichs im 16. und 17. Jahrhundert. Im Jahre 1716 hatte das Freiadelige Damenstift zu Vilich jene Burg (heute „Burg Lede“) erworben und damit zugleich hier dieses, also ruinöse Baugelände.

Das Stift übte zugleich eine Territorialherrschaft über den nördlichen Teil des jetzigen Stadtbezirks Beuel aus, von der Sieg bis zur heutigen Siegburger Straße: die „Herrlichkeit Vilich“. Für deren Verwaltung brauchte es Amtsräume sowie Wohnräume für das Personal. So entstand um 1720/ 30 an dieser Stelle das für damalige Verhältnisse stattliche Wohn- und Amtshaus des Verwaltungschefs, der hier bis 1785 amtiert und hier auch, gemeinsam mit seiner Familie, gewohnt hat.

Anschließend zog der frisch verheiratete Leonhard Stroof hier ein, der vormalige Lehrer an der Stiftsschule, jetzt vielversprechende Nachwuchskraft in der Stiftsverwaltung. Spätestens 1803, bei Aufhebung des Stifts (Säkularisation), dürfte er das Anwesen, zu dem auch diverse Hofgebäude gehörten, erworben haben. Als in der Stiftsnachfolge 1808 die Zivilgemeinde Vilich (Kern der späteren Stadt Beuel) begründet und Stroof zu deren erstem Bürgermeister berufen wurde, mutierte das ehemals stiftische Anwesen zum ersten Verwaltungsgebäude des heutigen Stadtbezirks Beuel; gewissermaßen wurde es das erste Beueler „Rathaus“.

Hier also wohnte Stroof mit seiner Familie. Hier übte er zugleich seine Amtsgeschäfte aus. Als er diese später zum Eschenhof in der Schillerstraße verlagerte, führte sein Sohn hier eine kleine Landwirtschaft, die von dessen Nachkommen 1938 in fremde Hände überging – die ihrerseits in den 1970er Jahren das Wohnhaus durch einen „modernen“ Neubau (wie südlich nebenan) ersetzen wollten. Dem aber kam der Denkmal- und Geschichtsverein zuvor, dem 1980/85 die Rettung gelang: Seit 2009 betreibt er dieses Geschichts- und Architektur-Denkmal als

Haus der Geschichte im rechtsrheinischen Bonn

Welches sind die >Talente< des Bürgermeister-Stroof-Hauses, die im Focus des heutigen Tages stehen?

Das Gebäude ist von seiner Struktur her ein typisch barockes Fachwerkhaus unserer Region mit Hohlziegeldach und Krüppelwalm. Und dennoch ist es anders. Der Bauherr, das Adelige Damenstift, wollte sich darin „vornehm“ präsentieren, sprich: vom Ländlich-Bäuerlichen abheben. Entsprechend repräsentativ wurde das Gebäude ausgestattet. Außen musste es wie ein städtisches Steinhaus aussehen, verputzt, mit vorkragender Portalbetonung (Mittelrisalit) und mit großen Fenstern in Natursteinrahmung. Innen ist alles Fachwerk, einschließlich der Deckenbalken, verputzt.

Dabei erhielt ein Raum im Obergeschoss,  das einstige Damenzimmer (heute „Kleiner Salon“), einen zusätzlichen Stuck: floraler Gipsdekor (wie er übrigens auch im – gleichaltrigen! – Bonner Beethovenhaus zu finden ist), eine sogenannte Kölner Decke. Innen war das gesamte Haus ausgemalt, nicht figural, sondern schablonengestützt – für das Rheinland einmalig! Heute finden sich in fast allen Zimmern Reste davon; im „Bergischen Zimmer“ (Erdgeschoss) waren sie 2019 Vorlage für eine Rekonstruktion. Des weiteren war das Haus von Anfang an mit einer eichenen Wandvertäfelung ausgestattet, die in großen Teilen, weiß lackiert, noch in der „Amtsstube“ zu sehen ist.

Ganz authentisch aus der Anfangszeit haben sich Herdwand und Steinboden in der Küche erhalten, wenn auch in ihrer 300-jährigen Existenz vielfach geflickt: die Wand aus den unterschiedlichsten Steinbrocken vom Finkenberg (Limperich) bis zu Wolfsdorfer Krotzen (Siegburg), der Boden aus Andesit vom Siebengebirge. Authentisch ist auch die Rauchfangwandung im Stiegenkabuff im Obergeschoss. Und im Keller ist noch die erwähnte Treppe aus der Vorzeit zu sehen; ihre Funktion wurde 1720/30 durch den heutigen Außenzugang ersetzt.

Auch manch anfängliche Tür mit ihren handgeschmiedeten Beschlägen ist noch da und Reste der anfänglichen Bohlenböden.

Am meisten beeindrucken dürfte indessen das aus groben Brettern gezimmerte Stiegenhaus, ein Treppenkasten in den Speicher hinauf: Nicht „schön“, aber ein wahrhaftiges Zeugnis früherer Lebensumstände. Ein Blick durch die Luke hinauf zeigt die Hohlpfannen, in Strohdocken gefasst („Strohpuppen“), die Straßenstaub und Schnee fernhalten sollen. Hier wurde im Winter die Wäsche getrocknet: Die kupfernen Leinenhaken sind immer noch da. Das vielgliedrige Holzwerk ist ein typisches Beispiel für sogenannte Liegende Dachstühle. Eine Fachwerk-Zwischenwand, deutlich als ehemals südliche Giebelwand zu erkennen, beweist, dass die Aufstockung über dem „Bergischen Zimmer“ (Ausmalung!) erst in einem späteren Bauabschnitt, vermutlich um 1785 beim Übergang auf Stroof, erfolgt sein muss.

Mit dieser räumlichen Erweiterung ist der heute sogenannte Große Salon (Bibliothek) entstanden, der zu Stroofs Zeit „die gute Stube“ der Familie gewesen sein dürfte, die sich zuvor vermutlich im Erdgeschoss (heute Ausstellungs- und Vortragsraum) befunden haben muss – bis sie dort zum Beratungszimmer des Gemeinderates wurde. (Dieser Raum ist heute als einziger nicht „historisch“ ausgestattet.)

Erst sehr viel später, vermutlich um 1880/90, sind zwei Einbauten ins Haus gekommen, die schon beim Betreten ins Auge fallen: der Fliesenboden von V&B im Eingangsflürchen und die Holztreppe in der Küche, dem Museumsentrée, die mit ihrem Eckpfosten typisch für die Gründerzeit ist. Sie dürften beide auf Stroofs Enkel zurückzuführen sein – die bereits in einer veränderten Welt lebten. Zu ihrer Zeit mag sich schon nicht mehr viel von der ursprünglichen Einrichtung erhalten haben.

Als der Denkmal- und Geschichtsverein das Haus 2009 unter seine Fittiche nahm, war kein einziger historischer Gegenstand mehr da. So hatte er denn alles Inventar anzuschaffen. Dabei auf rheinisch-bergisch-eifeler Provenienz verpflichtet und von der Überlegung getragen: Wie mögen die Menschen des 18. und 19. Jahrhunderts in diesem  Hause gelebt haben. –  Von Bürgermeister Stroof selber sind original seine Brille, ein Zwicker, und das Schreibpult seines Sekretärs erhalten – und seine Totenzettel aus dem Jahre 1825.

Carl J. Bachem – 10. September 2023″